Thematischer Einstieg
Beim Arbeiten mit der Graphic Novel wäre es denkbar, sich mit den neun Lebensstationen der Jüdin Miriam Bruderman in einer Partner- oder Gruppenarbeit auseinanderzusetzen. Auch ein gemeinsames Lesen der gezeichneten Geschichte im Klassenverband mit anschließender Diskussion ist möglich.
Innerhalb des pädagogischen Materials gibt es zu jeder Lebensstation Aufgaben zu Miriams Biografie und/oder vertiefende inhaltliche Recherchefragen, die dazu anregen sollen, sich weitere Informationen zu einem Themengebiet einzuholen und sich damit auseinanderzusetzen.
Am Ende der Beschäftigung mit diesem Lernportal sollte es ein gemeinsames Auswertungsgespräch geben. Denkbar wäre zusätzlich eine Ergebnispräsentation als Vortrag, Collage oder Theaterstück. Vielleicht kann das Lernportal auch dazu anregen, eine regionale Auseinandersetzung mit ähnlichen Schicksalen auf den Weg zu bringen und eine Diskussion über aktuell politische Ereignisse zu führen.
Inhaltlicher Einstieg
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde 1919 die Weimarer Verfassung verabschiedet. Frauen erhielten zum ersten Mal das Wahlrecht und allen Staatsbürgern wurde die Gleichheit vor dem Gesetz zugesichert. Mit der Machtübernahme Hitlers im Januar 1933 änderte sich u. a. auch die Gleichbehandlung deutscher Staatsbürger vor dem Gesetz. Gewalttätige Ausschreitungen, Diskriminierung und Boykottaktionen gegen die jüdische Bevölkerung vom März/April 1933 bildeten den Auftakt einer beispiellosen Judenverfolgung, die immer radikaler wurde.
Am 7. April 1933 erließ Hitler das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“. Hier wurden z. B. die Pensionierung der jüdischen Beamten und der Verlust der Zulassung für jüdische Juristen verfügt. Mehr als 2000 dieser Sondergesetze, Verordnungen und Verfügungen entrechteten im weiteren Verlauf der Naziherrschaft die jüdische Bevölkerung. Das hatte zur Folge, dass Jüdinnen und Juden nach und nach aus dem gesamten Wirtschafts- und Erwerbsleben gedrängt wurden, sie ihre Lebensgrundlage verloren und sie in die Isolation gerieten.
Am 15. September 1935 führten die Nazis die Nürnberger Gesetze ein. Diese rassistischen Gesetze richteten sich gegen die jüdischen Deutschen. Dabei handelte es sich um das „Reichsbürgergesetz“, das eine rassistische Diskriminierung in das Staatsbürgerschaftsrecht einführte, sowie um das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ („Blutschutzgesetz“). Dieses Gesetz stellte Eheschließungen und außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Deutschen und Jüdinnen und Juden unter Strafe.
Zahlreiche Berufsverbote und weitere diskriminierende Einschränkungen zerstörten innerhalb kürzester Zeit die wirtschaftliche Existenz der jüdischen Menschen in Deutschland. Die verbliebene jüdische Bevölkerung verarmte stetig. Sie mussten ihren Betrieb oder ihr Geschäft weit unter dem eigentlichen Wert verkaufen, um vom kargen Erlös zu leben oder um ins Ausland gehen zu können. Bis Anfang 1938 waren bereits etwa 40 % der ehemaligen jüdischen Bevölkerung des deutschen Reiches vertrieben worden und hatte die Flucht in die Emigration gesucht. Ihr Vermögen hatten sie größtenteils verloren oder zurücklassen müssen.
1938 verschärfte sich die NS-Politik gegen Jüdinnen und Juden weiter. Treuhänder wurden eingesetzt, um Unternehmen zu „arisieren“. Diese Zwangsarisierung galt für alle jüdischen Geschäfte, Fabriken und Werkstätten. Profitable Betriebe wurden zur attraktiven Beute deutscher Firmen. Zahlreiche jüdische Unternehmen wurden einfach liquidiert, alle Vermögenswerte verschleudert, um so den Markt zugunsten deutscher Konkurrenten frei zu machen. In der Folge der staatlich inszenierten Reichspogromnacht endete jede eigenständige wirtschaftliche Existenz von Jüdinnen und Juden in Deutschland.
In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938, der Reichspogromnacht, brannten Synagogen, Betstuben, Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden im gesamten Deutschen Reich verwüstet. Von der NS-Führung zentral organisiert und gelenkt, wurden diese gewaltsamen Aktionen von Angehörigen der SA und der SS mit einem großen Maß an Eigeninitiative durchgeführt. Dabei wurden ungefähr 400 Menschen ermordet oder in den Freitod getrieben.
Die Gestapo verhaftete daraufhin etwa 30.000 jüdische Männer und verschleppte sie in Konzentrationslager nach Dachau, Sachsenhausen und Buchenwald. Hunderte wurden dort ermordet. Nach einigen Wochen und Monaten kehrten die überlebenden Häftlinge wieder nach Hause zurück.
Die ersten lokalen Deportationen setzten im Februar/März 1940 ein.
Am 20. Januar 1942 trafen sich hochrangige Vertreter des NS-Regimes in einer Villa am Wannsee (Wannseekonferenz), um Details zum Völkermord an den europäischen Jüdinnen und Juden zu besprechen. Das systematische Morden war da aber schon in vollem Gange. Während des Zweiten Weltkrieges tötete das NS-Regime mit Hilfe seiner Verbündeten und Kollaborateure fast zwei Drittel der europäischen Jüdinnen und Juden. Sie fanden den Tod, weil sie menschenunwürdige Lebensbedingungen erdulden mussten oder brutal misshandelt wurden. In Vernichtungslagern wurden sie gequält, erschossen oder in Gaskammern ermordet.
In Deutschland und weiten Teilen Europas versuchten aber auch jüdische Menschen, der Deportation und Ermordung durch Flucht zu entkommen. Familien trennten sich und tauchten in vermeintlich sicheren Verstecken unter. Meist waren sie dabei auf Hilfe von mutigen Menschen angewiesen, die ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen. Bei Luftangriffen konnten Jüdinnen und Juden aber ihr Versteck nicht verlassen, um nicht entdeckt zu werden.
Miriam und ihre Familie erlebten Ausgrenzung, Diskriminierung und Verfolgung. Sie hatten aber auch den Mut, sich nicht ihrem Schicksal zu ergeben und überlebten. Die Familie tauchte 1940 in Berlin unter und erhielt dabei aus unterschiedlichen Beweggründen Unterstützung von Nichtjuden. Dafür konnte Miriams Retterin Mathilde Böckelmann als „Gerechte unter den Völkern“ in Israel geehrt werden! In Deutschland wird an das Schicksal von Miriam Bruderman und ihre Helfer in der Gedenkstätte „Stille Helden“ erinnert.
Dem Holocaust fielen 6 Millionen Jüdinnen und Juden zum Opfer.